Glasperlen: Von Venedig aus in die ganze Welt

Murano glass beads

Seit Dezember 2020 erkennt die UNESCO einen neuen Eintrag in der Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit an: „Die Kunst der Glasperlen“. Die kleinsten, tragbaren Glasobjekte haben nun schließlich eine ordnungsgemäße Erkennung innerhalb des facettenreichen Planeten des Glases erhalten.

Glas und Innovation

Die Venezianer haben kein Glas erfunden. Sie haben es innoviert.

1291 wurde eine kleine Gruppe von Inseln, die vom Stadtkern getrennt waren, per Dekret zu einem Glasmacherviertel verwandelt: Murano. Seitdem haben gemeinsames Know-how und Produktionsprozesse, geheime Rezepte und ein sehr starker Wettbewerb unter den vielen Glasherstellern Geschichte geschrieben: Das reinste Glas wird noch heute in Murano hergestellt.

Die Venezianer waren nicht einmal die ersten, die Glasperlen herstellten, doch die in Venedig hergestellten Glasperlen wurden ab Ende 15. Jahrhundert zum gefragtesten Produkt in Europa, im Mittelmeerraum und darüber hinaus.

Für Archäologen sind Perlen im Allgemeinen ein Fenster in die Vergangenheit. Sie sind langlebig und fast ueberall vorhanden. Die Herstellung von Glasperlen geht auf das Jahr 1500 v. Chr. in Ägypten, Syrien, Mesopotamien, Phönizien, Indien zurueck. Eine Tradition, die sich spaeter auch in Antiochia, Rom und Byzanz verwurzelt hat.

Reisende Glasperlen

Zwischen dem Ende des 15. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts reisten Tonnen von Glasperlen jeder Größe und Farbe von Venedig nach Portugal, in die Niederlande, nach England und von dort weiter nach Westafrika und Amerika. Als tragbare Juwelen, aber auch und vor allem als Tausch- und Handelsinstrumente zählten Glasperlen viel und erlangten sowohl bei afrikanischen Stämmen als auch bei den Eingeborenen Amerikas Ruhm und Ehre. Glas ist perfekt, um die Natur und jene Materialien zu emulieren, aus denen zuvor Juwelen und Ornamente hergestellt wurden: Holz, Steine, Samen, seltene und teure Mineralien wie Achat und Bergkristall. Glas ging über die Natur hinaus: Seine Farben, seine Transluzenz und Transparenz waren für alle Menschen etwas Magisches.

Glasperlen wurden in Venedig in unzähligen Variationen und Größen hergestellt. Es gibt Hinweise darauf, dass 1764 twenty-two Murano-Glasfabriken 19 Tonnen Glasperlen pro Woche produzieren konnten, die größtenteils für den Export bestimmt waren. Massive Exporte von Glasperlen aus Venedig in die Vereinigten Staaten sind während des Jahrzehnts 1880-1890 gut dokumentiert: etwa 2700 Tonnen pro Jahr. Einfach erstaunlich.

Murano und seine Geschichte, seine Glasfabriken und -arbeiter, die Perlenmenschen: ein kostbares, lebendiges Erbe, das man immer noch hören, bezeugen, erleben und schätzen kann.